Lesungen

Silvia Kabus las aus ihrem Roman „Weißer als Schnee“

1988 legte Sylvia Kabus dem Aufbau-Verlag das Manuskript Weißer als Schnee vor. Die Lektorin lehnte es in einem mehrstündigen Tribunal ab, da an dem Text, an der Figur etwas krank ist. In einem Text zu dem Vorfall schreibt Sylvia Kabus: Warum die Figur so dünnhäutig sei, fragte sie. Fünfzehn von zwanzig Leuten oder mehr arbeiteten doch so, in unbefriedigenden Berufen, ohne krank zu werden. Viele leben doch ihr Leben außerhalb der Arbeit, sagte sie, die Genossin. Und wie da von alten Menschen, von einer alten Genossin gesprochen wird, die abgeschoben wird, als Pflegefall nicht zumutbar im Krankenhaus. So kann man eine Genossin doch nicht darstellen, sagte sie.Das Graue, Erloschene stellte sie mir in Rechnung. Ich weiß, es ist verletzend, aber ich sage es trotzdem , begann sie ihre Sätze. Auch, dass ich nie eine Zukunft als Schreibende haben würde. Sie wusste, dass hier etwas verletzt wurde, das hätte ermutigt werden müssen, denke ich heute. Ihr Körper sagte es. Es versperrte mir die Weiterarbeit, das Wachsen und Sein mit dem Buch. Ich saß hinterher im Zug und schrieb ihre vorgestoßenen, von erregtem Schweigen unterbrochenen Bemerkungen in ein Exemplar des ,Filmspiegels , auf den Rücken von Grace Kelly. Zur Veröffentlichung ihres Romans Weißer als Schnee in der Verschwiegenen Bibliothek sagt sie: Der Text ist die Geschichte eines reinigenden Schweigens, entstanden aus einem Lebensmaterial, das in Todesnähe brachte.

 

Kathrin Wildenberger las aus ihrem Roman „Montagsnächte“

Wie können Menschen ein politisches System zum Einsturz bringen? Indem sie sich ihm mit ihren Körpern entgegenstellen. So geschehen 1989 in Leipzig. Selten waren Privates und Politisches enger miteinander verknüpft, als zur Zeit der Wende.
1986 verliebt sich die 15jährige Ania in ihrem sachsen-anhaltinischen Heimatdorf in den Außenseiter Bernd. Doch als Bernd zur Armee eingezogen wird, verlieren sich die beiden aus den Augen. Drei Jahre später begegnen sie sich auf einem Friedensgebet in Leipzig wieder – und verlieben sich ineinander, obwohl Bernd mittlerweile mit Anias bester Freundin Miriam zusammen ist.
Als Fotograf ist Bernd zugleich Beobachter und treibende Kraft der Veränderungen. Ania hingegen stürzen die neuen Verhältnisse in innere Konflikte, nicht zuletzt weil ein politischer Riss auch mitten durch ihre Familie geht.
Mit „Montagsnächte“ entwirft Wildenberger nicht nur ein präzises, stimmungsvolles Bild der Wendezeit, sondern sie flicht um die Ereignisse des Wendeherbstes eine komplexe Geschichte. „Montagsnächte“ ist ein Roman über die Stärke von Träumen und die Mühen des Erwachsenwerdens in Zeiten politischer Umbrüche.

 

Daniela Krien las aus ihrem Erzählband „Muldental“

Sie können selbst nicht fassen, was sie da tun, und doch tun sie es. Und es geht erstaunlich leicht. Halb aus Spaß, halb aus Verzweiflung setzen die Freundinnen den langgehegten „Plan B“ in die Tat um: Sie mieten eine Wohnung und lassen sich über einen gemeinsamen früheren Freund Freier beschaffen … Das größte Glück und der tiefste Abgrund liegen immer nur eine Handbreit auseinander. So auch bei Marie, die vergeblich versucht der Erpressung durch die Stasi standzuhalten. Aber nun, an einem der heißesten Tage des Sommers, kommt es zur Eskalation. In zehn Geschichten schildert Daniela Krien Menschen, deren Hoffnungen und Pläne nach der Wende erfüllt oder betrogen wurden. Der klare Sprachstil, die Sinnlichkeit ihrer Beschreibungen und die Direktheit ihrer Dialoge machen aus jeder der Geschichten ein spannungsgeladenes kleines Meisterwerk.