Vortrag: Den Rückzug stoppen? Parlamentarismus-, Staats- und Kapitalismuskritik in Zeiten des Rechtsrucks
28. August 2019, 19:30 Uhr
Den Rückzug stoppen? Parlamentarismus-, Staats- und Kapitalismuskritik in Zeiten des Rechtsrucks
Eine Veranstaltung von The Future is Unwritten
Wer sich aktuelle Mobilisierungsprojekte der radikalen Linken gegen den Rechtsruck anschaut, könnte den Eindruck gewinnen, dass eine grundlegende Kritik der kapitalistischen Sozialstruktur und der zugehörigen Institutionen heutzutage nicht mehr relevant ist. Vor dem Hintergrund, dass sich mit der AfD eine Partei im Aufwind befindet, die Schlimmeres im Sinn hat als den demokratisch verfassten, kapitalistischen Nationalstaat nur zu erhalten, erscheint das auf den ersten Blick nicht unverständlich. Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings die Frage, ob die Politik der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 schon in Vergessenheit geraten ist. Gerade die weitreichenden Maßnahmen zur Senkung von Sozialausgaben und der Errichtung eines neoliberal-autoritären, „vorsorgenden“ Sozialstaates („Agenda 2010“, „Hartz IV“) hatten doch eigentlich radikale Staats- und Parlamentarismuskritiken wie etwa die von Johannes Agnoli bestätigt. Nachhaltige politische Konsequenzen daraus scheint die radikale Linke kaum gezogen zu haben. Das ist mehr als bedauerlich, denn die politische Alternativlosigkeit, die oft als eine Ursache des Rechtsrucks benannt wird, hat eine Menge mit dem begrenzten Handlungsspielraum von staatlicher Politik im Kapitalismus zu tun. Wenn im öffentlichen Diskurs die mangelnde politische Polarisierung als Ursache des Rechtsrucks dargestellt wird, so sollte nicht vergessen werden, dass diese ihre Wurzeln in der kapitalistischen Sozialstruktur selbst hat. Es sind gerade die Formzwänge der Kapitalakkumulation, die politische Entscheidungsspielräume im Kapitalismus begrenzen und somit zu einer mangelnden Unterscheidbarkeit verschiedener Regierungskoalitionen führen. Es erscheint vor diesem Hintergrund überraschend, dass eine radikale Ablehnung der grundlegenden Vergesellschaftungsmechanismen im gesellschaftlichen Diskurs nicht stärker vertreten ist. Geldvermittelte Produktion und Verteilung sind heute ebenso wenig Gegenstand breiter linker Kritik wie der bürgerliche Staat. Wir wollen in der Abschlussveranstaltung unserer über ein Jahr andauernden Veranstaltungsreihe »Nationalismus ist keine Alternative« noch einmal einige Argumente zum Zusammenhang von kapitalistischer Sozialstruktur, bürgerlichem Staat, Rechtsruck und Optionen linker Politik transparent machen. Kurz vor der sächsischen Landtagswahl wollen wir die Gelegenheit nutzen, kontrovers und kritisch über die praktischen Perspektiven jenseits von Parlamentarismus und Integration in den Staatsapparat zu diskutieren.